Adventsabendlied 12: "Maria durch ein Dornwald ging"


Das heutige Adventsabendlied „Maria durch ein Dornwald ging“ musste ich meiner Mutter immer und immer wieder vorsingen und wenn ich nicht zu Hause war, ließ sie die Kassette mit der Version des SDR-Kinderchor und meinem Solo laufen. Die alte Kassette habe ich heute noch, man kann sie kaum mehr hören, so bespielt ist sie.

 

Ich weiß nicht, was meine Mutter an diesem Lied so berührt hat – die Jungfrau, die nun ein Kind bekommt und es schwer hat, durch den dornigen Wald zu gehen oder die nach Jahren doch noch blühenden Rosen, die ihr als Floristin sehr am Herzen lagen. Wir haben nie darüber gesprochen. Auch mag dieses Lied mit der hübschen Melodie wie ich Rosen – vor allem alte Moosrosen - mag – darin fühle ich mich mit meiner Mutter verbunden.

 

Manchmal kommen mir die schweren Zeiten, durch die wir gerade hindurch müssen  auch vor wie ein dorniges Gestrüpp, bei dem man den Ausweg noch nicht sieht und wenn die Dornen einem Wunden reißen, fällt das Weitergehen schwer.

 

Ich habe in meinem Leben schon manchen Dornwald durchschritten, mich hilflos gefühlt und festgehalten von Verletzendem. All diese Herausforderung konnte ich zum Glück meistern, auch wenn mir manchmal alles trostlos vorkam. Kennt Ihr das? Es war mir zum Aufgeben, zum Resignieren, zum Heulen. Ich vermute, dass auch diese Zeit auf manchen Menschen wie ein undurchdringlicher Dornwald wirkt, in dem sie verfangen sind.

 

Maria ist nicht allein in dem Lied, sie trägt ein kleines Kindlein unter ihrem Herzen heißt es da. Also ist sie nicht allein. Da wächst etwas Neues, etwas Lebendiges, etwas Wunderbares in ihr heran, das behütet sein will, das sie spürt und das ihr eine andere Perspektive als die der mater dolorosa aufzeigt.

Nach dem „Herr erbarme dich“ – Kyrieleison – spürt sie keine Schmerzen mehr und die Dornen tragen Rosen – ihr Flehen wird erhört. Den Schmerz der Dornen wird sie etwa 30 Jahre später wieder spüren, wenn die römischen Besatzungssoldaten ihrem Sohn zur Schmach einen Kranz aus Dornen - die „Dornenkrone“ – aufsetzen und die mater dolorosa zur Pieta wird. 

 

Die Rosen, die es immer nur mit Dornen gibt, sind ein wunderbares Symbol für das menschliche Leben, das es auch nicht ohne Leid und Schmerz gibt. An den wunderschönen Blüten, an dem betörenden Duft und an einer üppigen Blüte in frischem, grünem Laub können erfreuen wir uns gerne. Das nährt unsere Seele, macht uns froh und zuversichtlich und heilt manche Wunde, Weil wir wissen, dass es da die Dornen gibt, lernen wir zunehmend, uns vor ihnen zu schützen und pflegen die Pflanze der Hoffnung und der Freude, so dass sie üppig blühen und gedeihen kann.

 

Vielleicht hat das Lied meiner Mutter so gefallen, weil es so hoffnungsvoll ist, weil es auch in düstersten Zeiten eine Perspektive zeigt und das Vertrauen in Gott sich als gerechtfertigt zeigt. 

 

Als junges Mädchen habe ich jeden Morgen, wenn ich aus dem Haus ging, mit den Fingern ein Blatt der im Vorgarten blühenden Moosrose zwischen meinen Fingern gerieben und mich dann auf dem Schulweg an dem klebrigen Duft berauscht. Diesen Duft und die haarig-bemoosten, grünen Kelchblätter habe ich nie vergessen. Dieses Jahr habe ich mir eine Moosrose gegönnt. Sie kam per Postpaket im Herbst vom Rosenzüchter und nun steht sie auf dem Balkon im Blumenkübel, treibt Blätter aus und erfreut mich jeden Tag. Sie wird nicht in den Garten kommen, weil ich diese Rose nicht mit den Rehen teilen und auch nicht einsperren möchte, wie die anderen Rosen im Garten.

Ich werde auch nicht ungeduldig sein, wenn sie noch keine Blüten trägt und wenn sie mich sticht, werde ich wissen, dass auch das zu ihr gehört, dass der Schmerz heilt und wenn sie dann blüht und duftet, werde ich glücklich sein und spüren, wie wundervoll das Leben ist.

 

Schlaft wohl heute Nacht, mit Rosen bedacht ...