Am Grunde des Meeres lag sie - fast gänzlich durch feinen, weißen Sand verborgen und doch sichtbar für denjenigen, der ein feines Auge hatte.
Sie verbarg sich nur ungern vor den anderen, schwammen die doch schnell und zielstrebig durch den Wasserschleier, der so wenig verhüllt und dennoch sein Geheimnis nur dem enthüllte, der sich wagte, sich ihm zu nähern.
Hatte er denn ein Geheimnis?
Nein, sicher nicht nur eines - vielfältig waren seine Geheimnisse, so vielfältig wie seine Bewohner und sie war eine von ihnen.
Eine von vielen zu sein machte ihr nichts aus, nein vielmehr wünschte sie sich, gänzlich im Vielerlei des Meeres unterzugehen, um ja nicht aufzufallen. So war es ihr im Laufes des Jahres gelungen sich immer flacher an den Grund zu drücken und seine Form anzunehmen. So konnte sie in Ruhe da liegen, einfach nur daliegen und dem Treiben über ihr zusehen. Was machte es da schon aus, dass sie ihre Augen immer so weit drehen musste, dass sie schon fast auf einer Seite des Kopfes zusammen kamen - wen störte das - sie fand sich ohnehin nicht hübsch. Die Flecken auf ihrem etwas rauen Körper empfand sie wie Menschenkinder ihre Pickel in den Jahren des Heranwachsens, doch sie war beileibe nicht ausgewachsen und die Flecken blieben ihr erhalten.
Träge und verschämt wartete sie die meisten ihrer Tage bis zum Einbruch der Dunkelheit ab, bevor sie mit einer elegant schwingenden Bewegung ihren Körper aus dem Sand befreite und lautlos, einer sanften Welle gleich hinüberglitt zu der Höhle, in der sie die Nacht zubringen würde.
Wer hatte sie nur so verschreckt, dass sie sich ihrer außerordentlichen Schönheit und Eleganz nicht bewusst war?
Hoffentlich lag es nicht daran, dass ich als Kind immer den Kopf über ihr ins Wasser gestreckt und gerufen habe:" Flunder, Flunder, zeig mir Deinen Plunder!"
Vielleicht wenn ich ihr heute zurufe:" Flunder, zeig mir Dein Wunder!" - ja, vielleicht traut sie sich dann wieder sich in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen - vielleicht.
12. November 1999
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