In einem großen Teich, der mitten in einem dunklem Wald verborgen lag, lebte eine kleine, muntere Froschfamilie in guter Nachbarschaft mit einem alten Karpfen, auf dessen Rücken sich schon das Moos angesiedelt hatte, mit einem Dutzend munterer Weißfische und vielen anderen Lebenwesen, die dieses grün-braune Paradies gerne bewohnten. Für jeden war genügend Platz vorhanden, zugleich mangelte es aber auch nicht an Gelegenheiten zur Unterhaltung. Die besuche des Feuersalamanders, der oft nur auf ein kurzes Schätzchen zum Schwimmen vorbei kam, erfreuten die Bewohner des Teiches. Die Aufregung, die beim Auftauchen eines Fischreihers entstand, wirbelte jedes Mal die kleine Gemeinschaft regelrecht durcheinander.
Ab und zu geschah es, dass sich auch Fremde - Tiere oder Menschen - an den Teich verirrten. Sie alle waren überrascht von der Stille dieses zauberhaften Orts, der so im Verborgenen lag. Manch einer von ihnen hätte sich gerne länger aufgehalten und nahm im Herzen das Gefühl mit, einen Ort zu kennen, den vielleicht außer ihm kaum jemand kannte und den er jederzeit wieder aufsuchen könne, wenn er sich nach einer kleinen Pause sehne.
Nachts, wenn hunterte zarter Flügelpaare im Mondschein ihren Elfentanz aufführten, bekamen die Frösche Hunger und suchten sich ihre Nahrung unter den Tanzenden. Glücklich über das glänzende Mondlicht, das sich im dunklen Wasser des Teiches spiegelte, begannen sie allabendlich ihre Lieder zu quaken - laut vernehmbar - mal forsch, mal melancholisch, mal zart, mal überschwänglich.
Tagüber unternahmen sie vor allem an Regentagen interessante Ausflüge von Pfütze zu Pfütze - bisweilen weit hinüber bis zu der Wiese, die an ein Dorf grenzte.
Auf einem solchen Ausflug lernten sie eine Froschfamilie kennen, die sich ihr Leben im Dorfteich eingerichtet hatte.
Wie anders schien doch dort die Atmosphäre zu sein, denn von der Stille berichtete diese Familie nicht, nein, vielmehr von den unliebsamen Störungen durch die Menschen, die mit ihren großen Füßen das Wasser aufwirbelten. Nur einen Mond, den hatten sie auch im Dorfteich und beide Familien fragten sich, wer wohl den schönsten Mond hätte.
So geschah es, dass sie eines regnerischen Tages beschlossen, sich gegenseitig im Mondschein zu besuchen.
Die Froschfamilie aus dem Waldteich erwartete in gespannter Freude die Dorfteichfroschfamilie und hatte sich vorgenommen, ihnen den schönsten Platz anzubieten, um die Tänze anzuschauen und sich dabei sättigen zu können.
Auch wollten sie mit ihnen zusammen ein großartiges Konzert für alle Bewohner des Teiches geben und waren sicher, die Dorfteichfroschfamilie mit der Atmosphäre, die sie selbst so liebten, auch verzaubern zu können. Die Nachbarn - allen voran der alte Karpfen - sahen den Besuchern gespannt entgegen und freuten sich auf die Abwechslung, die bald ihren stillen Dorfteich für eine Zeit lang beleben sollten.
Endlich war es so weit - nach drei Regentagen stand der Teich bis ans Ufer voll prächtigstem, grün-braunem Wasser, der Wind hatte allerlei Blätter auf die Oberfläche geweht, von denen aus man den Elfentänzen wunderbar zuschauen konnte. Die Waldteichfroschfamilie hatte die besten Plätze ausgekundschaftet und hüpfte dem langersehnten Besuch in großen Sprüngen von Pfütze zu Pfütze entgegen. Zunächst wiesen sie ihre Besucher auf die hohen, schattenspendenden Tannen hin, die sich dunkel im Wasser spiegelten. Dan luden sie die Dorfteichfroschfamilie ein, gemeinsam mit ihnen die wunderbare Frische des Waldteichs zu genießen. In großen Zügen schwammen sie auf und ab, tauchten tief hinunter, um sich abzustoßen und wieder der Sonne entgegenzuschnellen.
Freundlich grüßend schwamm der alte Karpfen an ihnen vorbei und die Weissfische tummelten sich neugierig in ihrer Nähe.
Ja, die Dorfteichfroschfamilie war wirklich angetan von diesem schönen Ort - vor allem von seiner Stille und den freundlichen Bewohnern. Doch wie wuchs ihr Staunen, als sich die Nacht über den Teich senkte und sie zu einem Festmahl beim Elfentanz geladen wurden.
Die Freude des gemeinsamen Tages, an dem sie sich so gut verstanden und wohl gefühlt hatten, wurde in ihrem gemeinsamen Konzert deutlich. Bis tief in die Nacht klangen ihre fröhlichen Lieder durch den Wald, ließen so dieses Stückchen Paradies noch schöner werden und machten die Herzen der Froschfamilien froh.
Da es spät geworden war, schliefen sie am Tage länger und als sie erwachten, hatten die Sonnen schön viele der Pfützen getrocknet, so dass sie sich entschlossen bis zum nächsten Regentag im Waldteich zu bleiben.
Wie freuten sich beide Familien, in den nächsten Tagen ihre Unternehmungen fortsetzen zu können. Tagsüber schwammen und tauchten sie und an den Abenden spornten sie sich gegenseitig zu den schönsten Liedern an.
Doch als es wieedr regnete, war es Zeit für die Dorfteichfroschfamilie, sich auf den Heimweg zu machen. Der Abschied fiel allen schwer, doch der baldige Besuch der Waldteichfroschfamilie im Dorfteich heiterte die traurigen Abschiedsgedanken wieder auf.
Dicht nebeneinander schwamm die Waldteichfroschfamilie schweigend zurück zu ihrem Schlafplatz, bis der Sohn das Schweigen mit den Worten "Die Tage mit denen waren sehr schön!" brach.
Wie staunte jedoch die Waldfroschteichfamilie, als sie im Laub ihres Schlafplatzes einen ganzen Haufen Mücken vorfand, den ihnen die Dorfteichfroschfamilie offenbar in freundlicher Absicht hingelegt hatte.
Das verstanden sie nun nicht - bot ihnen doch jede Nacht die Gelegenheit, sich selbst neue Nahrung zu fangen - ganz frische dazu.
Hatten sie etwas falsch gemacht mit den Freunden aus dem Dorfteich, dass diese glaubten, die Gastfreundschaft bezahlen zu sollen? Enttäuscht über den Fund, den sie nicht verstehen konnten hockten sie stumm da.
Als der Mond am Himmel erschien, verspürte keiner Lust, sich die Elfentänze anzusehen und zu singen - aus Trauer über die missverstandene Freundschaft oder aus Wehmut über den Abschied, der durch die Entdeckung des "Geschenks" so jäh unterbrochen worden war?
Der alte Karpfen war es, der ihnen mit seiner Weisheit in dieser traurigen Stunde half, indem er erklärte, dass die Dorfteichfamilie sicherlich aus einer Art Unsicherheit der neuen Bekanntschaft gegenüber so gehandelt hatte, sie nicht hatte brüskieren, sondern sich vielmehr mit dem Nahrungsgeschenk hatte erkenntlich zeigen wolle.
Nach langem Überlegen schwammen die Waldteichfrösche zu dem Platz, an dem sie am liebsten saßen und sangen - eng aneinandergekuschelt - gemeinsam ein trauriges Lied, das von ihrer Enttäuschung erzählte, aber bald überging in die fröhlichen Erinnerungen der letzten Tage und bei den letzten Strophen, die vom baldigen Besuch im Dorfteich sprachen, laut und freudig alle Teichbewohner unterhielten.
Hungrig vom langen Singen fingen sie sich nun frische Mücken und waren gewiss, dass auch die Dorfteichfroschfamilie verstehen würde, dass sie deren Geschenk nicht annehmen wollten.
Seit diesem Tag handeln viele Lieder der Walddorfteichfroschfamilie von den schönen gemeinsamen Erlebnissen der Dorfteichfroschfamilie, von denen auch der Feuersalamander erfuhr, der sich auch frägt, ob er sich selbst einmal auf den Weg zum Dorfteich machen soll.
Donatus Angele, 30. August 1999
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