Meine Adventsabendliedgedanken gehen heute zurück in die Kinderzeit - ich bin halt schon etwas älter und da denkt man an solchen Tagen auch mal zurück und überlegt, was da gut war, was
blieb und was weiter Bestand haben soll - gerade in einer Zeit deutlicher Veränderung.
Der ursprüngliche Titel unseres heutigen Adventsabendliedes war "Weihnachtsfreude" - wir kennen es mit seiner ersten Zeile: "Morgen Kinder wird´s was geben". Ein
richtiges Eltern-Kind-Lied zum Fest: Da geht es um die Kinder, die das Weihnachtsfest kaum erwarten können, weil sie sich allerhand gewünscht haben und es geht um die Eltern,
denen die Kinder dankbar sein können für all die Vorbereitungen und die sie ehren sollen. Habt Ihr es schon angehört, mitgesungen oder noch im Ohr?
Ganz anders in dem 1927 geschriebenen, satirischen Gedicht von Erich Kästnerdas den Titel Weihnachtslied, chemisch gereinigt trägt und das die Situation seiner Zeit aufreift-
anklagend, aufrüttelnd, leider resignativ.
Weder der Stall zu Bethlehem, noch Maria und Josef, die himmlischen Heerscharen, die Hirten oder das Jesukind werden in den Liedern thematisiert. Es geht ausschließlich um das "Fest der
Familie", das Warten auf die Bescherung, das Bekommen und das Haben - um den Weihnachtskonsum.
"Wir durften auch nur Weihnachten in die gute Stube" höre ich meine Eltern noch sagen.
Dann war ich immer froh, dass es in unserer Dreizimmerwohnung nicht auch noch eine "Gute Stube" gab, die unter dem Jahr nicht zu betreten war. Die Eltern hatten ein Schlafzimmer, wir Kinder ein
Kinderzimmer und in der "Stube" stand das Sofa, die Musiktruhe und der Schwarz-Weiß-Fernseher mit dem einen einzigen Programm und der war an Heilig Abend sowieso nie an.
An Heilig Abend durfte die "Stube" erst nach dem Gottesdienstbesuch betreten werden - erst wenn der Vater alle Kerzen angezündet und die goldene Aufziehglocke "Stille Nacht, heilige Nacht"
gespielt hatte, dann schritten wir "Ihr Kinderlein kommet" singend gemeinsam mit der Mutter staunend in die "Weihnachtsstube" und versuchten weiterzusingen, obwohl uns die unter weißen
Tüchern versteckten Päckchen mächtig interessierten. Das war immer ein sehr feierlicher, friedlicher Moment - nach Tagen der spannungsgeladenen Vorbereitungen.
"Bescherung" gab es erst nachdem wir etliche Weihnachtslieder gesungen und musiziert hatten. Es war für uns Kinder der aufregendste Moment, wenn die Tücher weggenommen wurden und bunt
eingepackte Päckchen von den Eltern und die Pakete von der Familie aus Finsterwalde, aus Hamburg und Bremerhaven zum Vorschein kamen zum Vorschein kamen. Für jeden gab es einen Teller
mit Äpfeln, Mandarinen, einer Orange und selbstgebackenen Gutsle. Wir hatten vielleicht ein Glück, dass unsre Oma "Muttchen" damals auch im Bergedorfer Spielzeuggeschäft als Reinemachefrau
arbeitete.
Ich wusste schon als Kind, dass nach dem Stecken der Islandmooskränze, die wir zu Totensonntag in Heimarbeit herstellten, bald das Stollen- und Gutslebacken und danach das Päcklepacken
losging. In unseren "Westpaketen" befanden sich hauptsächlich Kaffee, Kosmetika, Backwaren und Laichinger Bettwäsche, in den "Ostpaketen" unter unserem Weihnachtsbaum dicke Bücher und schön
gestaltete Mappen. Das Buch mit Zirkusgeschichten konnte ich immer und immer wieder lesen, von den naturwissenschaftlichen Büchern haben wir auch in der Schulzeit profitiert und manche
Dokumentenmappe benütze ich wohl lebenslang.
Wir Kinder durften immer einen Wunschzettel schreiben und es war klar, dass darauf auch die Kleidungsstücke standen, die als nächstes wegen Rauswachsens nötig wurden - ein neuer Anorak, eine
Turnhose oder Skistiefel. Für die Eltern und die anderen Verwandten haben wir gebastelt - Selbstgebasteltes "darf" man bei uns auch heute an Weihnachten Erwachsenen schenken, Gekauftes
nur den Kindern.
Den Nachbarn - vor allem das ältere Ehepaar, das über uns wohnte und bei dem wir manchmal "Bonanza" gucken durften - brachten wir Gutsle und Christstollen. Selbstgebastelte Sterne
schmückten die Fenster und die blassgrüne Stabkerze mit dem schwarzen Plastikfuß, die ich in der Schule gekauft hatte, stand brennend am Fenster - den "Kriegsheimkehrer" erwartend. Bei uns kam er
nie. Im Gegensatz zu meinen Eltern hatte ich als Kind geglaubt, der in Russland "gefallene" Bruder meines Vaters könne eines Tages zurückkommen - womöglich am Heilig Abend.
Nach der Bescherung wurden die Kerzen am Baum gelöscht - es gab das "Heilig-Abend-Essen": Würstchen mit "Finsterwalder Kartoffelsalat" mit Äpfeln, Sauren Gurken, Eiern und Thunfisch - spielten
wir lange und ausgiebig mit den neuen Spielsachen und Brettspiele, bei denen der Gewinner sich eine der am Weihnachtsbaum hängenden Schokoladenkugel abschneiden durfte.
So war und ist das an Weihnachten bei uns und vielleicht auch bei manchen von Euch.
Morgen Kinder wird´s was geben...
Einen Heiligen Abend genauso wie in den Vorjahren vielleicht nicht, auch wenn sich das manch einer wünschen möge.
Vielleicht einen besinnlicheren, weil man mehr darüber und über den Sinn von Weihnachten nachgedacht hat?
Vielleicht einen mit dem Schwerpunkt auf dem Inhalt und nicht auf den Geschenken?
Vielleicht einen mit vielen Gedanken an die nicht anwesenden Lieben?
Vielleicht einen mit nachhaltigen Gedanken an ein Miteinander, an Teilen und Anteil nehmen?
Vielleicht einen mit dem Gedanken dankbarer Hoffnung?
Morgen Kinder wird´s was geben... - mein Schwiegervater brachte oft einen Fremden mit an den Weihnachtstisch und in manchen Haushalten wartet ein Gedeck für denjenigen, der
vielleicht klopfen wird an diesem Abend.
Das wird vermutlich morgen nicht geschehen, wir wissen, wer da morgen an welchem Weihnachtstisch sitzen wird und wenn wir genau nachdenken, auch wer nur eine kleine oder gar keine
"Weihnachtsfreude" haben wird.
Meine Weihnachtsfreude sind das Nachdenken und meine Dankbarkeit für das wie gut es uns geht.
Ich wünsche Euch eine schöne Vorfreude auf das Weihnachtsfest und dass Ihr morgen Eure Kinderaugen aufmachen könnt...